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Rheuma-Kranke betrog Kassen um 380 000 Euro

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Koblenz/Brohltal - 417-mal hat die 63-Jährige Frau aus der Verbandsgemeinde (VG) Brohltal ihre Krankenkasse betrogen. Sie, die an Rheuma leidet und nicht vorbestraft ist, hat ausgestellte Privatrezepte für sich und ihren Sohn manipuliert und so 380 000 Euro* erschlichen  - um damit ihre Spielsucht zu finanzieren. Dafür erhielt die Frau jetzt zwei Jahre auf Bewährung.

Von unserem Redakteur Jan Lindner

Der 41-jährige Sohn der Frau, der an Borreliose leidet und seinen gut dotierten Job verlor, als der Betrug aufflog, wusste von alldem von nichts. Von dem Geld ist nichts mehr übrig: Das ging für ihre Spielsucht drauf. Die 10. große Strafkammer des Landgerichts Koblenz verurteilte die pensionierte Grundschullehrerin zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren - wegen Betrugs in 417 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung.

Immer zwei Betrugsmaschen

Die Frau - Khaki-farbene Stoffhose und Rolli, schwarzer Blazer, blonde Haare, Brille - wandte bei ihren Betrügereien immer die gleichen zwei Methoden an. Mitte Dezember 2005 das erste Mal, als sie mit ihrem Rezept in eine Apotheke in der VG Brohltal ging. Ihr Arzt hatte ihr fünf hochpreisige Medikamente verschrieben, von denen sie aber nur zwei benötigte. Doch der Apotheker quittierte das komplette Rezept - die ehemalige Grundschullehrerin ließ sich von ihrer privaten Krankenkasse alle fünf erstatten.

Naive Krankenkassen

Dreieinhalb Jahre ging das so, der letzte Fall ist vom 15. April 2009 dokumentiert. Auch fälschte die Frau Rezepte, indem sie Medikamente ergänzte und so noch mehr Geld erstattet bekam. Der Vorsitzende Richter sagte: "Ich konnte es kaum glauben, bis ich die Akten gelesen hatte. Es ist mir unbegreiflich, dass die Krankenkasse den Betrug nicht viel früher gemerkt, sondern einfach weiter Beträge erstattet hat."

Die Frau, die ihren "geliebten" am 1. Januar 2002 wegen ihrer Rheuma-Erkrankung aufgeben musste, sagte mit tränenerstickter Stimme: "Ich gebe alles zu, habe wie in Trance gehandelt. Ich schäme mich so dafür." Das Gericht berücksichtigte in seinem Urteil denn auch, dass die 63-Jährige vom Leben bereits stark gebeutelt wurde. 30 Jahre war sie Mitglied in einem Karnevalsverein, tanzte gerne, trug mit Liebe vor - auch da machte ihr die Krankheit einen Strich durch die Rechnung. Heute kann sie sich nur schlecht bewegen. Ihre Beziehungen scheiterten alle irgendwann: Der Vater ihres Sohnes fing kurz nach dessen Geburt an zu trinken, schlug sie, wollte das Haus anzünden; heute hätten sie aber ein gutes Verhältnis zueinander.

Dann lernte sie einen Rechtsanwalt kennen, der irgendwann eifersüchtig auf ihren Sohn wurde. 1977 erlitt sie einen Nervenzusammenbruch, kam in eine Nervenklinik. Ein weiterer Lebensgefährte führte ein Doppelleben, beging Suizid. Der nächste Partner schleppte sie mit ins Kasino, wo sie eine Menge Geld verlor. Seit zehn Jahren lebt sie allein und befindet sich in Suchtberatung, leidet an Angstzuständen und einer depressiven Störung. In Behandlung bei einem Facharzt ist sie nicht, da sie sich das nicht leisten kann. Das Urteil ist rechtskräftig.

*UPDATE: In einer früheren Version dieses Artikels war der verhandelte Betrag fälschlicherweise mit 550 000 Euro angegeben.


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