Kreis Ahrweiler - Die Tafeln müssen überflüssig werden. Das wünscht sich Richard Stahl, Geschäftsführer der Caritas in Ahrweiler, weil private Hilfsinitiativen keine Dauerlösung gegen Armut sein können. Doch die Realität sieht anders aus. Auch im Kreis Ahrweiler.
Die Ausgabestellen in Ahrweiler und Sinzig sind für viele Bedürftige schleichend zu einer Zweitversorgungsschiene geworden. "Man hat sich an die Tafeln gewöhnt. Sie gehören inzwischen zur sozialen Szene", sagt Stahl und gibt zu bedenken, dass es künftig knapp werden könnte mit der Finanzierung eines Modells, das vom Ursprung her auf Überbrückung von Notlagen ausgelegt war.
Die Spendenbereitschaft sei zurückgegangen. 35 000 bis 40 000 Euro pro Jahr sind trotz des ehrenamtlichen Einsatzes aufzubringen für die logistische Infrastruktur des Systems im Kreis Ahrweiler, das nicht nur aus dem Verteilen von Lebensmitteln besteht, sondern die Menschen auch mit Hilfsangeboten erreichen will. Es ist eine Parallelwelt, die unabhängig von staatlichen Zuschüssen funktionieren muss und in keinem "Reichtums- oder Armutsbericht der Bundesregierung genannt wird", wie Stahl bemerkt. Und doch sind die Tafeln in ihren Strukturen inzwischen so etabliert, dass große Handelsketten die aussortierte Ware inzwischen in große Zentrallager liefern, wo die Lebensmittel abgeholt werden können. "Die Wege dorthin sind für uns zu weit", erklärt Stahl. Die Ahrweiler Tafel setzt auf die Kooperation mit mehreren Tafeln in der Region - Andernach/Mayen, Bonn und Meckenheim. 130 ehrenamtliche Mitarbeiter sind für die Ausgabestellen in Ahrweiler und Sinzig im Einsatz, darunter 12 bis 15 Fahrer. Der in Adenau außerhalb der Caritas entstandene Verein "Leib und Seele" habe einen Stab von 50 bis 60 Ehrenamtlichen.
Die Waren aus dem Lebensmittelhandel, die sie verteilen können, seien mit den Jahren nicht viel mehr geworden, berichtet Stahl. Sollte das Mindesthaltbarkeitsdatum irgendwann nur noch als Empfehlung gelten und kein Aussortiergrund mehr für den Einzelhandel sein, könnte das nach Ansicht Stahls ebenfalls Auswirkungen auf die Kontingente haben. Für einige Unternehmen aus dieser Branche sei es allein aus Zeitgründen außerdem einfacher, die Lebensmittel gleich zu entsorgen als die Palette für Tafelkuriere herauszuziehen. Andere wiederum fürchten um das Image ihres Produktnamens und die rechtliche Haftung bei unsachgemäßer Lagerung des Lebensmittels - in diesem Fall Milch - außerhalb ihres Kontrollbereichs.
Obwohl die Schamgrenze, zur Tafel zu gehen, laut Stahl immer noch sehr hoch ist, hat sich die Zahl der Bedürftigen im Datenstamm der Tafel seit den Anfängen 2006 von 400 auf inzwischen rund 900 Personen kontinuierlich gesteigert. "Es ist nur die Spitze des Eisberges", vermutet Stahl. "Darunter sind Menschen, die wir von der ersten Ausgabe her kennen. Es kommen vor allem viele Alleinerziehende, zunehmend aber auch ältere Menschen. Gleichbleibend hoch ist die Zahl der Kunden mit Migrationshintergrund." Der Caritas-Geschäftsführer freut sich mit denen, die ihren Berechtigungsausweis abgeben und sagen können: "Den brauche ich nicht mehr." Doch er glaubt, dass sich die Lage in Zukunft eher verschärfen wird.
Von unserer Redakteurin Beate Au