Remagen - Nach einer unfreiwilligen "Ausleihdauer" von nahezu 68 Jahren ist ein kleines, in niederländischer Sprache gedrucktes Büchlein zurück an seinem Heimatort.
Die Rückgabe der Schrift, die ein US-Soldat 1945 aus einem Wohnhaus mitnahm, im Friedensmuseum von Remagen war dabei für alle Beteiligten ein Grund zur Freude - aber einmal mehr auch zum Nachdenken: über die Geschichte und ihre Auswirkungen.
"Ich freue mich, stellvertretend für meinen Onkel, dieses kleine Buch wieder an den Ort zurückzubringen, wo es zum Ende des Zweiten Weltkrieges in einer wohl großen und umfangreichen Bibliothek stand", erklärte Patricia Kirk-Trimble gegenüber Hans Peter Kürten, Frank Cornely und Kurt Kleemann. Die 64-jährige US-Amerikanerin, die für die amerikanischen Streitkräfte in Wiesbaden arbeitet, war extra nach Remagen gekommen, um ein Stück Geschichte zurückzubringen: die 1635 in Antwerpen gedruckte Ausgabe der "Bekenntnisse" des heiligen Augustinus.
Ihr Onkel James E. Routh hatte das kleine in Wachspapier eingeschlagene Büchlein mit der ersten Widmung aus dem Jahr 1836 aus einem Remagener Wohnhaus mitgenommen. Damals, im März 1945, als der Soldat in Remagen seinen Dienst versah.
Sichtlich gerührt von der Geschichte, die hinter dem kleinen Büchlein steht, zeigte sich Hans Peter Kürten, der Gründer des 1980 eröffneten Friedensmuseums in den beiden westlichen Türmen der ehemaligen "Brücke von Remagen". Im Gespräch mit der Rhein-Zeitung erklärte er: "Rund um diesen historischen Ort, die Brücke von Remagen, ranken sich auch Jahrzehnte nach dem Ende des Krieges noch so viele Lebensgeschichten. Für uns ist es ganz wichtig, dass solche Erinnerungsstücke wie dieses kleine Buch, wieder zurückkommen". Und Frank Cornely, der Geschäftsführer des Vereins "Friedensmuseum Brücke von Remagen", ergänzte: "Auch mit Blick auf die Dauerausstellung, die mit solchen Exponaten immer weiter ausgebaut wird, freuen wir uns über die Kontakte in die ganze Welt." Der Zugkraft des aus dem Verkauf von Brückensteinen finanzierten Friedensmuseums können solche Kontakte und auch Rückgaben nur dienlich sein. Denn seit seiner Eröffnung am 7. März 1980 besuchen Interessierte aller Generationen diesen Ort des Friedens und der Begegnung. "Wenn alles gut läuft, werden wir noch in diesem Jahr den insgesamt 700 000. Besucher begrüßen können", blicken Kürten und Cornely optimistisch in die Zukunft.
Für Historiker Kurt Kleemann, den Archivar der Stadt Remagen, stellen sich noch während der Übergabe des Buches gleich mehrere Fragen. Denn in den Aufzeichnungen, die James E. Routh seiner Nichte mitgegeben hat, erinnert sich der heute 95-Jährige noch an die Umstände, die ihn veranlassten, das Buch in seinen Besitz zu nehmen.
Beim Durchkämmen der Stadt sei er, James E. Routh, in einem Haus in der Remagener Innenstadt auf eine große, mit historischen und zeitgenössischen Werken ausgestattete Bibliothek gestoßen. Einige Tage später, als er zu dem Haus zurückkehrte, sollen die Räume mit Lkw-Ersatzteilen gefüllt gewesen sein. Viel schlimmer noch: Im Hof wurden die Bücher aus der Bibliothek verbrannt. Die "Bekenntnisse des heiligen Augustinus" sei das einzige Buch gewesen, das er vor den Flammen habe retten können. Nicht nur Kurt Kleemann, sondern auch Hans Peter Kürten und Frank Cornely stellen sich daher die Frage, wo diese Bibliothek gestanden haben könne. "Vielleicht erinnert sich ein Angehöriger, entweder als Augenzeuge oder aus Erzählungen, an diese Geschichte", hoffen alle drei.
Für Patricia Kirk-Trimble und ihren Onkel James E. Routh ist mit der Rückgabe des Buches die Verbindung zu Remagen aber nicht gekappt. Denn als Dank für diese Geste des Friedens und der Versöhnung überreichte Hans Peter Kürten einen Brückenstein, jenen mit der Nummer 5215. "Mit diesen Steinen bauen wir Brücken des Friedens. Weltweit. Sogar im Orbit, denn derzeit umkreist ein Stein auf der Raumstation ISS die Erde", machte Kürten deutlich. Das Friedensmuseum "Brücke von Remagen" ist vom 7. März bis 15. November täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Zwischen Mai und Oktober sogar bis 18 Uhr. Weitere Infos sowohl im Internet unter www.bruecke-remagen.de oder unter der Rufnummer 02642/201 59.
Von unserem Mitarbeiter Andreas Wetzlar