Koblenz/Kreis Ahrweiler - Es herrscht konzentrierte Ruhe in dem Großraumbüro. An halbrunden Tischen sitzen die Mitarbeiter der Integrierten Leitstelle, blicken auf ihre jeweils fünf Monitore, sprechen halblaut in ihre Telefone, die sie mit Kopfhörer und Mikro am Kopf tragen.
An diesen Tischen werden die Notrufeinsätze für Koblenz, den Landkreis Mayen-Koblenz und die Nachbarkreise Ahrweiler und Cochem-Zell koordiniert.
Daniel Schäfer aus der Vorder-eifelgemeinde Kehrig hat heute den Disponentendienst für die Rettungsdienste in der Stadt Koblenz und in den Regionen, die von Koblenz rheinabwärts liegen. Am Tisch daneben wird der Rettungsdienst im übrigen Zuständigkeitsbereich koordiniert, an einem dritten Tisch die Feuerwehrlage. Die anderen Kollegen nehmen die Notrufe an und arbeiten den drei zu. Das ist mit das Wichtigste im Rettungswesen: Dass jeder genau weiß, was er zu tun hat, damit keine Zeit verloren wird. Denn Zeit kann hier Leben retten oder kosten.
"06/85-1 Koblenz": Der Disponent ruft einen freien Krankenwagen in ein Krankenhaus. Welche Autos im Einsatz, welche frei sind, wird ihm auf einer Liste angezeigt. Ein Patient darf nach Hause. Die Infos bekommt der Fahrer sicherheitshalber noch einmal durch eine automatisch erzeugte SMS. So wird ein Missverständnis ausgeschlossen. 60 Wagen sind tagsüber im Rettungsdienst verfügbar, nachts sind es weniger. Jetzt, um die Mittagszeit, ist es relativ ruhig in der Leitstelle. Viele Krankenfahrten oder Klinikentlassungen und -verlegungen sind gefahren, für den Nachmittag gibt es etliche Vorbestellungen. Immerhin machen diese Anrufe zwischen 70 und 80 Prozent aller Fälle aus, sagt der 38-jährige Daniel Schäfer, einer von zwei Sachgebietsleitern der Leitstelle. Die Krankenfahrten werden zügig bearbeitet, haben aber gegenüber einem Notfall naturgemäß keine Priorität.
Auf dem linken Monitor sieht der Disponent die Anrufe, die noch abgearbeitet werden müssen. Klickt er einen an, erscheint die ausführliche Bildschirmmaske auf dem mittleren Bildschirm. Wer hat angerufen, um was geht es, was ist veranlasst? Alle Details sind für jeden in der Rettungskette auf einen Blick ersichtlich. Wird beispielsweise die Feuerwehr alarmiert, kann der Einsatzleiter an Ort und Stelle neue Infos hinzufügen, die dann auch wiederum jedem zugänglich sind. "Es ist ganz wichtig, dass keine Infos verloren gehen", sagt Schäfer. Fertig abgearbeitete Einsätze rutschen dann auf den rechten Monitor, wo sie aber jederzeit wieder eröffnet werden können.
Der Kollege am Nebentisch ruft herüber. Ein Einsatzfahrzeug muss aus dem Verkehr gezogen werden, den Rettungsleuten ist nicht gesagt worden, dass der Patient, den sie gefahren haben, eine ansteckende Infektion hat. Mehr oder weniger durch Zufall haben sie das erfahren - nach der Fahrt bei der Patientenübergabe. "Das ist ärgerlich", sagt Daniel Schäfer. Vor allem, weil die Kollegen in dem Wagen sich nicht entsprechend gegen die Keime geschützt haben, aber auch, weil der Wagen jetzt in die Desinfektion muss. Das müsste er auf jeden Fall, aber wäre der Einsatz planbar gewesen, hätte man danach eine Pause oder Feierabend disponiert. So fällt das Fahrzeug aus.
Obwohl der Dienst der Leitstelle neben den Feuerwehrleuten von Leuten des Deutschen Roten Kreuzes geleistet wird, achten alle selbstverständlich darauf, dass keines der Rettungsunternehmen bevorzugt wird, erklärt Schäfer. Denn im Rettungswesen ist es ein Geben und Nehmen.
Wie jetzt zum Beispiel: Für einen Krankentransport muss eine Mannschaft aus der Freizeit geholt werden, weil keine andere Möglichkeit besteht. Der Kranke steht im Mittelpunkt. "Wir helfen, so gut wir können." Ein Verkehrsunfall wird gemeldet: Zwei Autos sind ineinandergefahren, möglicherweise Verletzte. "Am allerliebsten ist es uns, wenn die Leute am Anfang des Notrufs vor allem ihren Namen und ihre Telefonnummer sagen, damit wir zurückrufen können, falls das Gespräch abbricht", erklärt Schäfer. Und dann ist es für die Mitarbeiter der Leitstelle am einfachsten, wenn sie selbst den Anrufer die Details fragen. Denn dann können sie der Reihenfolge der Bildschirmmaske folgen und verlieren gar keine Sekunde.
27 Planstellen hat die Leitstelle, manche Kollegen arbeiten auch ein halbes Jahr im Notrufzentrum, ein halbes Jahr auf dem Rettungswagen. Unabhängig davon haben sie alle den klaren Praxisbezug: Diejenigen, die aus dem Roten Kreuz kommen, sind auch in der Feuerwehr ausgebildet. Diejenigen, die aus der Feuerwehr kommen, sind auch ausgebildete Rettungssanitäter. Das ist wichtig, um die Abläufe zu verstehen. Im Dreischichtbetrieb ist die Leitstelle organisiert. Nachts sind meistens nur drei Leute da, tagsüber so wie heute sechs oder sieben. Aber bei Unwetter sitzen auch schon mal zehn oder zwölf Leute gleichzeitig an den Monitoren, nehmen die Notrufe an und koordinieren die Einsätze.
Dabei gibt es auch viele Dinge, die den Leuten unter die Haut gehen. "Aber es ist trotzdem was völlig anderes, als wenn man draußen ist", sagt Daniel Schäfer. "Wir sehen die Verletzten nicht, wir begleiten die Angehörigen und die Patienten nur Sekunden oder Minuten am Telefon. Auch wenn wir schon am Telefon Erste-Hilfe-Hinweise geben, so ist doch die Betreuung der Menschen in erster Linie eine Aufgabe der Einsatzkräfte vor Ort."
Und manchmal gibt es auch wunderbare Erlebnisse. "Wir sind Teil von etwas, das wirklich großartig sein kann", sagt Schäfer fast ein bisschen pathetisch. Zum Beispiel vor ein paar Tagen: Da hat ein Kollege von ihm telefonisch eine Geburt begleitet. Denn es war zu spät, um noch ins Krankenhaus zu fahren. Mutter und Kind sind wohlauf - das ist das Wichtigste.
Von unserer Redakteurin Doris Schneider