Grafschaft - Blitze und Sturm, Starkregen und Hagel fegten am Donnerstagvormittag rund 40 Minuten lang mit voller Wucht über die Gemeinde Grafschaft hinweg. Besonders in Ringen, Beller, Bengen, Niederich und Nierendorf richteten die Fluten immense Schäden an. Sturzbäche mit Geröll und Astwerk im Gepäck überschwemmten fast überall Straßen und Keller.
Für die vom Unwetter betroffenen Menschen im Kreis Ahrweiler hat die Kreisverwaltung 50.000 Euro Soforthilfe bereitgestellt; 15 000 davon stammen von der Kreissparkasse. Über die Verteilung der Mittel wird in Absprache mit den Bürgermeistern der betroffenen Kommunen entschieden. Der Rat der Gemeinde Grafschaft hatte bereits am Donnerstagaben eine Soforthilfe von 25.000 euro beschlossen und ein Spendenkonto eingerichtet.
Der Abfallwirtschaftsbetrieb Kreis Ahrweiler (AWB) hilft ebenfalls. Auf den drei Entsorgungsanlagen ist bis auf Weiteres die kostenlose Abgabe von Sperrmüll und Elektromüll mit Hochwasserschäden möglich; dies sind das Abfallfallwirtschaftszentrum „Auf dem Scheid" in Niederzissen, das Wertstoffzentrum in Remagen-Kripp und die Umladestation in Leimbach bei Adenau.
In Birresdorf indes rettete Bürgermeister Achim Juchem am Donnerstag ein Kind aus knietiefen Fluten, das eine abschüssige Landesstraße überqueren wollte. Teilweise stand das Wasser eine geraume Zeit mehr als 40 Zentimeter hoch auf dem Asphalt. Verletzte gab es ersten Erkenntnissen nach in der gesamten Grafschaft nicht.
Unbändige Wassermassen hielten wieder die Nierendorfer in Atem. Nach 2010 wurden dort zum zweiten Mal Anwohner der Brückenstraße hart getroffen. Genau dort sind viele Bürger verärgert. Sie bemängeln den längst beschlossenen Hochwasserschutz: „Wir sind verbittert und sehr sauer auf die Gemeinde. Rundum gibt's Regenrückhaltebecken. Nur hier gibt's nichts, wir stehen allein im Regen."
Völlig falsch sei auch die Brücke in der Brückenstraße konzipiert worden. Hausbesitzer Gerhard Vallen sagte: „Nur zwei Röhren mit einem viel zu klein bemessenen Durchlauf hier einzubauen, war schon ein entscheidender Fehler. Ein Fachmann hätte sicherlich einen dritten Durchlass berücksichtigt, genauso wie Abweiser fürs Treibgut." Ihm ist beim Hochwasser 2010 ein Schaden von rund 50 000 Euro entstanden: „Ich habe daraus gelernt, dass man sich in der Grafschaft nur selbst helfen kann. Ich habe vor zwei Jahren eine Schutzmauer gezogen."
Die Brücke in der Nierendorfer Brückenstraße ist als kritischer Punkt bekannt. Bereits 2010 wurden hier die Wassermassen durch Unrat, Brennholz und treibende Gartenmöbel zur Wand aufgestaut. Auch jetzt türmte sich der Unrat an den Brückendurchlässen in mehr als drei Metern Höhe. Die Folge: Das Haus von Matthias Frank erwischten die braunen Fluten sehr schlimm. Sein Keller und die Souterrain-Wohnräume standen bis unter die Decke unter Wasser: „Meine Frau, meine beiden Kinder und ich hatten das Glück, dass uns schon am Donnerstag gut 20 Nachbarn halfen." Verstehen kann er nicht, dass das Hochwasserrückhaltebecken „so lange auf sich warten lässt. Da muss was geschehen."
Aber: Das im Bereich von Birresdorf geplante dritte Hochwasserrückhaltebecken hätte die Wassermassen diesmal nicht aufhalten können. Die Flut ergoss sich nach Augenzeugenberichten wie aus heiterem Himmel aus einem ganz anderen Bereich über den Ort.