Kreis Ahrweiler - 90 Sekunden hat der Neuntklässler des Are-Gymnasiums Zeit, um zu erklären, wie er und seine Partei sich ein gutes und gerechtes Schulsystem vorstellen. Er zögert, lächelt verlegen, kräuselt die Stirn, doch dann legt er los und sammelt Prozentpunkte für den Sieg beim "Wahltag".
Bei diesem Gesellschaftsspiel aus dem Fundus der Bundeszentrale für politische Bildung gewinnt, wer überzeugt. Es ist ein Baustein in der Sammlung von Ideen und Aktionen, mit denen das "Mobil der Stimmen (Mods)" derzeit in den weiterführenden Schulen im Kreis Ahrweiler unterwegs ist, um im Jahr der Bundestagswahl Jugendliche aufzurütteln.
Die AG offene Jugendarbeit hat gemeinsam mit jungen Menschen Ideen entwickelt, um Schüler ab der achten Klasse mitzunehmen in den Dialog über Politik, Demokratie und Beteiligung. Die RZ war im Are-Gymnasium dabei. "Das Projekt ist bisher ein voller Erfolg", zieht Ane Masen, als Jugendpflegerin der VG Brohltal mit im Boot, eine erste Bilanz aus ihrer Sicht. Der Bedarf an Information sei eklatant, das Wissen über Politik bei Jugendlichen mit Ausnahmen mehr als lückenhaft. Politische Meinungen zu äußern, das ist für die meisten eine eher ungewohnte Situation. "Über die Spiele gelingt es, das Eis zu brechen und ins Gespräch zu kommen", beobachtet Sebastian Sikkes, der vom Haus der offenen Tür in Sinzig dabei ist. Nach dem Einsatz im Peter-Joerres-Gymnasium, wo eine Bundestagssitzung zum Thema Führerschein ab 16 nachgespielt wurde, ist das Team am Nachmittag auf dem Schulhof des Are-Gymnasiums. Die 9d mit Sozialkundelehrerin Ingrid Näkel-Surges steht bereit. Ein Drittel der Klasse will später Sozialkunde als Leistungskurs nehmen. Doch beim Quiz mit Kanzlerköpfen, denen Namen, Partei und Amtszeit zugeordnet werden sollen, kommen ihr Zweifel, ob die Einserkandidaten ihre Note wirklich verdient haben. Bei Angela Merkel ist alles noch leicht. Die kennt jeder. Gerhard Schröder ist auch noch präsent. Helmut Kohl? Na ja, wird schließlich auch erkannt. Ebenso Helmut Schmidt. Bei Willi Brandt kommen leichte Zweifel. "Der ist doch bestimmt in der SPD?" Bei den Bundespräsidenten - außer bei Christian Wulff herrscht große Ratlosigkeit - glaubt Näkel-Surges dann wirklich, einige Zeugnisse umschreiben zu müssen. Lustiger geht es beim Activity-Spiel zu. Zu erraten sind Begriffe wie Finanzspritze oder Währung, die pantomimisch oder zeichnerisch dargestellt werden dürfen. Es wird viel gelacht.
"Es kommt darauf an, wie Politik verkauft wird", hat Sarah Weber, die am Projekt beteiligte Jugendpflegerin aus der Grafschaft, beobachtet. "Politiker, die Klartext sprechen, werden gehört." Die Orientierung an Personen sei im jungen Alter noch sehr ausgeprägt. Außerdem nähmen Jugendliche Politik hauptsächlich auf Bundesebene wahr. Ihnen bewusst zu machen, dass sie auch vor der eigenen Haustür genügend Möglichkeiten haben, sich einzumischen und zu beteiligen, ist ein Ziel des "Mobils der Stimmen".
Annette Gies vom Haus der Jugend in Bad Neuenahr-Ahrweiler ist begeistert von den Möglichkeiten und dem Erfahrungspotenzial, die diese Aktion bietet. Bei der nachgespielten Bundestagssitzung im Peter-Joerrres-Gymnasium sei einigen Jugendlichen beispielsweise bewusst geworden, wie schwierig es ist, mit unterschiedlichen Positionen umzugehen und in einen Entscheidungsprozess zu kommen. "Da gab es dann schon die Einsicht: Demokratie ist mühsam."
Von unserer Redakteurin Beate Au